Bio kostet Geld, mehr als nicht-Bio. Wie wäre es, wenn Du Dich mit Produzenten und Verarbeitern zusammenschließen könntest, damit es für alle besser funktioniert. Du hast Preisstabiltiät und Beteiligung. Die Anbieter haben Abnahmesicherheit. Das ist das Projekt der Regionalwert-AG
Doch immer der Reihe nach: Lernen setzt bekanntlich Endorphine frei, mit anderen Worten macht gesund und glücklich. Am 31.03. war Dorle Gothe, Vorstand von der Regionalwert AG Rheinland, als Gastreferentin bei uns im offenen Abend des Ess Kultur Seminars. Und wir haben so viel gelernt, dass nachher die Begeisterung aus den Augen der Teilnehmer sprühte! Wie immer, müsste man eigentlich dabei gewesen sein, aber ich versuche mein Bestes, um hier ein paar Inhalte und Impressionen in Worte zu fassen.
Regionalwert-AG, das ist also ein Erfolgsprojekt in inzwischen fünf Regionen in Deutschland, das mit „Bürgeraktien“ ökologische und regionale Lebensmittel von Hof und Acker der Bauern auf die Teller der Menschen in der Region bringt.
Aktien in bio?
Als ich vor Jahren zum ersten Mal davon hörte, fand ich den Begriff der „Bürgeraktie“ gewöhnungsbedürftig, kennt man das Wort Aktie doch i.d.R. nur von der Börse und dort auch von Unternehmen, die nicht unbedingt mit „regional und fair“ in Verbindung gebracht werden!
In diesem Fall aber bedeutet Aktie:
Ein Bürger, eine Bürgerin erwirbt z.B. eine Aktie (Wert = 600 Euro), die dann als Kapital für die biologisch wirtschaftenden Höfe der Region eingesetzt werden kann. So sind diese nicht auf Fremdkapital von Banken angewiesen. Und die Bürger der Region sind (zu kleinen Teilen) Mitinhaber der Höfe der Region und ermöglichen den Bauern dadurch, notwendige Projekte zu verwirklichen, ohne in Banken- oder Fremdinvestorenabhängigkeit zu geraten.
Wozu ist das wichtig?
Nun, dazu ein paar Zahlen: nach dem Krieg gab es in Deutschland 900.000 landwirtschaftliche Betriebe. Jetzt gibt es noch 270.000! Verdammt schwer war es in den letzten Jahrzehnten als Bauer, der nicht in Agro-Business-Massenproduktion einsteigen will, von einem normal großen Hof noch eine Familie zu ernähren. Doch grade die mittelgroßen und kleinen Bauern leisten weit mehr, als nur Nahrungsmittelproduktion. Insbesondere, wenn sie biologisch wirtschaften.
Was Höfe sonst noch leisten:
So tragen sie z.B. zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit bei, sie sorgen für biologische Vielfalt, sie erhalten alte Rassen. Sie säen mit samenfesten Sorten, sie engagieren sich für Zweinutzungsrassen von z.B. Kühen oder Hühnern (sprich Rassen, von denen man Fleisch und Milch oder Fleisch und Eier vom gleichen Tier verwerten kann). Ihre Höfe bieten menschengemäße Sozialstrukturen für Mitarbeiter und Kunden.
Sie leisten Entwicklungsarbeit, wenn es um den ökologischen Umbau der Landschaft und Landwirtschaft geht. Zum Beispiel durch gelungene Kompostwirtschaft, durch Einbindung von Streuobstwiesen, durch Arbeit für das artgerechte Tierwohl (z.B. Kühe mit Hörnen). Sie bewahren die genetische Unabhängigkeit von Tierrassen mittels z.B. eigener Zuchtbullen. (Gängig in 90 % ist sonst, gekaufte Samen in die Kuh zu spritzen.)
Außerdem füttern sie nur, was ihr eigener Hof erzeugen kann (vermeiden also Sojaimporte aus Übersee) und produzieren nur soviel Dung, wie ihr eigenes Land als Dünger verkraften kann.
Das alles kumuliert in der Frage:
Wie wollen wir leben? Wenn wir uns Menschen jederzeit als Zukunftsgestalter wahrnehmen, dann gehört dazu auch, dass wir Bedingungen schaffen, dass die Zukunft, die wir wollen, auch möglich werden kann. Einer allein kann das nicht. Aber viele einzelne, die einen kleinen Beitrag leisten, können Erstaunliches schaffen.
Bislang werden im Rheinland nur 7 % aller Flächen an Ackerbau und Grünland biologisch bewirtschaftet! (In Bayern und Hessen sind es 17%). Die Nachfrage ist aber viel höher, deshalb wird aktuell viel Bio aus dem Ausland importiert, was wieder gar nicht „bio“ ist, sprich unökologisch. Und dann ist da noch die Frage der Verarbeitung: warum eigentlich müssen wir im Kölner Raum Bio-Milch-Produkte von z.B. Andechser aus Bayern kaufen? Weil wir keine eigene Bio-Molkerei in der Region haben, die den hiesigen Bedarf decken könnte. Auch das gehört mit zu den Projekten der Regionalwert AG.
Was schon erreicht wurde:
Die Liste der Betriebe, die schon in gedeihlicher Zusammenarbeit mit dem Projekt stehen, kann sich sehen lassen. Die Erfolge, die schon erzielt wurden (z.B. im biologischen Obstanbau) begeistern! Schaut‘ einfach selber mal auf die Website und tragt Euch dort vielleicht zum Newsletter ein. So kann man Partnerbetriebe kennenlernen, besichtigen, an Vernetzung mitwirken.
Auch ohne Aktionär zu sein, ist dieses Projekt vielleicht eines der spannendsten in der Gegenwart unserer Region, was unsere Kulturlandschaft, unsere vom Klimawandel gebeutelte Landwirtschaft und unsere Einkaufsoptionen auf ein völlig neues Niveau heben kann.
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Und am nächsten Dienstag, dem 05.05.2020 von 17.30 bis 19.00 Uhr geht es – online – genau so spannend weiter: Ernährung muss geplant sein! Nicht nur in der eigenen Küche, sondern auch in der eigenen Region. Genau so, wie man Schulen und Straßen plant, so muss jede Region sich darüber Gedanken machen, wo das Essen für ihre Menschen herkommen soll. Da kommt der Ernährungsrat Köln ins Spiel. Mit Clara Dorn vom Ernährungsrat habe ich eine zauberhafte junge Frau kennengelernt, auf deren Gastreferat ich mich besonders freue. Ausgebildet durch ein Studium an der slow food Universität in Italien, sitzt nicht nur ihr Herz am richtigen Fleck für das Thema, sondern sie jetzt auch am richtigen Ort für die Umsetzung.
Denn – der Boden ist lebendig, wir sind lebendig, das Essen ist lebendig – doch da ist ja noch was dazwischen: wo kriege ich das gute Essen her und wie kriegen wir uns organisiert, dass es immer leichter für uns wird, da dranzukommen. Auch in unseren Kantinen, auch in unsere Kindergärten, auch in unserer eigenen Küche. Auch und gerade, wenn wir eben nicht vom eigenen Garten oder Balkon ernten können.
Hier kannst Du Dich für die – kostenlose – online Teilnahme anmelden. Du erhältst dann 1-2 Stunden per E-Mail vor Seminarbeginn Deinen Zugangslink zur Veranstaltung.
Dann also vielleicht bis Dienstag,
Anne