Am Dienstag, dem 03.03.2020 hat am offenen Abend des Ess Kultur Pur Seminares Godehard Graf von Hoensbroech vom demeter Obstpark Schloss Türnich zum Zustand des Bodens referiert. Das war der bestbesuchteste offene Abend, den ich je hatte. Den ganzen Nachmittag hat das Telefon geschellt und Menschen riefen an und fragten, ob noch ein Platz frei sei.
Das hat mich, ehrlich gesagt, ein bisschen erstaunt. Denn ich fand es selber eher gewagt, dass ich meinem Seminar in diesem Halbjahr das Leitthema Boden „verpasst“ habe! Eine große Stimme in mir sagte, dass das mega wichtig ist. Aber eine kleine, kritische Stimme in mir hatte auch gewarnt: „Wer interessiert sich schon für Boden? Könnte sein, dass es ziemlich leer bleibt.“
OK, danke! Ich habe dazu gelernt. Ihr interessiert Euch für Boden. Und wer es bis zu diesem Tag noch nicht getan hätte, der hätte es danach getan! Ich bin echt nicht in der Lage, diesen fulminanten (und gleichzeitig ganz beiläufig daher kommenden) Vortrag adäquat zusammenzufassen. Ich kann höchstens ein paar Blitzlichter geben:
- Boden gibt es in der Natur nie allein. Boden ist immer bewachsen. Boden und Pflanzen sind ein einheitliches System; „es sei denn, man macht eine falsche Art von Landwirtschaft“
- der Mutterboden, der humusreiche Oberboden, von dem alle Menschen, Tiere und Pflanzen auf der Welt leben, ist in unseren Breiten nur ca. 20-30 cm dick, darunter folgen Unterboden und Untergrund. Von dieser letztlich hauchdünnen Schicht, die die noch verbliebenen, unverbauten Bereiche unserer Erde bedeckt, leben alle 7 Milliarden Menschen, aber auch die Tiere und natürlich die Pflanzen selber;
wörtlich: „wenn das weg ist, ist hier Feierabend“ - Pflanzen haben Präferenzen für die Art von Böden, die sie bevorzugen; Maiglöckchen und Bärlauch z.B. wachsen gerne in Buchenwäldern, Hainbuchen vertragen sich gut mit dem Boden von Eichenwäldern, nicht jedes Gemüse mag die Bodenprägung eines anderen Gemüses, wie auch jeder gute Hobbygärtner weiß
- mit Kunstdüngern kann man Pflanzen zwar zwingen, einen bestimmte Boden als Wachstumsgrundlage zu akzeptieren – aber nicht beliebig lange; Monokulturen z.B. sind von Natur aus nicht vorgesehen und können ohne massive Manipulation (Kunstdüngung, Pestizide) und damit letztlich Zerstörung der Artenvielfalt des Bodenlebens nicht aufrecht erhalten werden
- Pflanzen brauchen je nach Wuchsstadium einen Schub an Nährlösungen unterschiedlichster Art; ein belebter, gesunder Boden ist für die Pflanze wie eine Art „Speisekarte“, da bestellt sich die Pflanze was zu essen
- kommunizieren tun die Pflanzen mit dem Boden z.B. über die Mykorrhiza, eine Symbiose von Pilzen und Pflanzen, bei dem der Pilz mit dem Feinwurzelsystem von Pflanzen in Kontakt ist und ihm zuarbeitet; das funktioniert nur bei einem gesunden Bodenleben
- wir haben nach und nach verstanden, warum es eben nicht egal ist, ob man Nahrungspflanzen auf Plastikfolie oder auf Schläuchen mit Nährlösung anbaut, oder in Verbindung mit gesundem Garten- oder Ackerboden …
Wir haben z.B. auch verstanden an diesem Abend, warum die Jauche, die früher auf die Felder verteilt wurde, deutlich weniger problematisch war als die Gülle, die heute verspritzt wird. Immer deutlicher wurde im Laufe des Abends, dass alles, was ein gesundes Bodenleben der ca. 10 Milliarden (!) darin zusammenwirkenden Mikroorganmismen zerstört (Unverständnis, Bearbeitungsfehler, Spritzmittel), im Boden eine Art Artensterben verursacht, wie wir es ja leider von „überirdisch“ auch kennen. Guter Vergleich: eine Art von Mikoorganismen eines gesundes Bodenlebens, die fehlt, kann der Boden vielleicht noch verschmerzen. Genau wie ein Loch im Strumpf, das kann man noch stopfen. Aber bei fünf Löchern im Strumpf ist es dann irgendwann mal vorbei.
Wir haben die Klima-Effekte in Bezug auf den Boden angeschaut – von weit weg (Verwüstung in Afrika, Versteppung in Spanien) bis ganz nah (Rheinland). Ein Beispiel: es fehlt aktuell im Rheinland 1/3 der Regenmenge – an einem Ort also, wo es noch nie allzu viel geregnet hat. Die Buchen zum Beispiel haben hierzulande nach den langen Trockenheitsperioden der letzten Jahre nahezu keine Zukunft mehr: ihre Nahrungswurzeln liegen extrem dicht unter der Oberfläche. Durch Hitze und lange Trockenheit zerfallen oder verkleben die Krümelstrukturen der Böden. Wenn das einmal passiert ist, dann kann auch danach der Boden das folgende Regenwasser nicht mehr aufnehmen und halten. Die Bäume fallen dann bei einem der nächsten Stürme einfach um. (Im Schlosspark von Türnich schon geschehen.)
Wir haben uns den Prozentsatz überhaupt noch vorhandener Bodenflächen auf der Welt angeschaut. Die Kölner Bucht zum Beispiel, deren Bodenstruktur in der internationalen Klassifizierung einmal zu den wertvollsten Ackerböden der Welt gehörte, ist zu 80 % zugebaut! Und es wird immer noch munter weiter gebaut – wenn nicht eine kritische Masse an Menschen, wenn nicht wir für dieses Phänomen wach werden! Die food and agriculture organisation of the united nations schätzt, dass es bei weiterem Umgang mit den Böden weltweit wie bisher, noch maximal 18 Jahre dauert, bis die Böden global so kaputt sind, dass man darauf nix mehr wird anbauen können.
Wir haben angeschaut, wie in der biologischen und in der demeter Landwirtschaft diese drängenden Fragen zum Bodenerhalt bearbeitet und beantwortet werden. Und wir haben gelernt, dass man tatsächlich auch jetzt noch was tun kann! Alle Maßnahmen, die das intensive Leben und Zusammenwirken der Mikroorganismen, die wir als „Bodenleben“ bezeichnen, fördern, fördern auch den Humusaufbau, die Wasserhaltekraft und natürlich die Pflanzengesundheit!
„Was tut ein Boden, wenn das Bodenleben gestorben und die Humusschicht zerstört ist? Er fliegt einfach weg!“ Deshalb gab es im Jahr 2011 auf der A19 eine Massenkarambolage, weil ein Wind den Boden eines kompletten Ackers einfach aufgenommen und davon gefegt hatte! Alternativ kann der Boden natürlich auch mit dem nächsten Regen einfach weg geschwemmt werden.
Auch über Politik haben wir viel gesprochen – und wie die nordrhein-westfälische Landesregierung demnächst mehrere Milliarden Euro in die Hand nehmen will für die Gestaltung des rheinischen Reviers nach der Braunkohle. Und wie man dabei politisch grade auf Agrobusiness = Massenlandwirtschaft setzt. Das Wort „Boden“ kommt auf hunderten Seiten der Konzeptpapiere zu dem Thema bislang nicht einmal vor!
Was kann man tun?
Eine fassungslose Teilnehmerin fragte am Ende des Referates: „Sie erzählen das hier alles so gelassen. Aber ich merke grade, wie mir der Hut wegfliegt! Es ist ja höchste Eisenbahn! Was kann ich tun?
Nun, die erste Antwort des Referenten darauf war: konsequent biologisch einkaufen! Das ist im Moment wohl die stärkste Abstimmung mit dem Einkaufskorb, die jeder Verbraucher leisten kann. Aber natürlich geht mehr: zum Beispiel eigene Gärten chemiefrei bewirtschaften. Alte Verfahren der Kreislaufwirtschaft wiederbeleben. Arbeit mit Kompost und Terra preta (dazu später mehr). Sich an Biohöfen engagieren. Sich an Baumpflanzprojekten (tief wurzelnder Bäume) beteiligen. Den Regenwurmgehalt des Bodens fördern. Flächen mulchen. Flächen nicht brach liegen lassen, sondern in Ruhephasen mit Gründüngung einsäen. Permakultur-Initativen fördern, u.v.m.
Und dann gibt es unten im PS noch zwei Kontaktadressen für alle die, die regional auch in Bürgerinitiativen und in Politik mit einsteigen wollen, um in Bewegung zu bringen, was bewegt werden will. Danke nochmal an Godehard Graf von Hoensbroech für die brilliante Zusammenfassung eines der leisesten und gleichzeitig drängendsten Themen unserer Zeit. (im Bild Mitte, zusammen mit Marie-Thérèse Gräfin von Hoensbroech und der Autorin).
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